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Opre Romnja!

Junge Romnja und Sintizze engagieren sich selbstbewusst für ihre Interessen

Von Éva Ádám

Projektziele und Maßnahmen

Im März 2018 startete mit „Opre Romnja!“ ein neuer Schwerpunkt der Empowermentarbeit von Amaro Drom. Bisher sind junge Romnja und Sintizze in der Vereinsarbeit unterrepräsentiert. Mit „Opre Romnja!“ wollten wir einen Beitrag dazu leisten, das zu ändern. Das Projekt wurde durch das Deutsche Kinderhilfswerk finanziert und fand im Rahmen des Projektes „Dikhen amen! Seht uns!“ statt, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert wurde.

Das Hauptziel von „Opre Romnja!“ war das selbstbewusste Engagement junger Romnja und Sintizze – nicht nur im Projekt „Dikhen amen!“ und im Verein Amaro Drom. Sondern auch darüber hinaus. Durch ein gestärktes Selbstbewusstsein nahmen die Mädchen und Frauen ihre Wünsche ernst und setzten sich beherzt dafür ein.

Um dieses Ziel zu erreichen, brauchte es zunächst einen Raum, in dem sich die jungen Romnja und Sintizze geschützt vor Antiziganismus und Sexismus austauschen konnten. Hierfür war die Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum wichtig. Dies ermöglichte gegenseitiges Vertrauen und die erfolgreiche Umsetzung der Wünsche der Mädchen und jungen Frauen.

Gemeinsam mit erfahrenen Teamerinnen aus der Community unterstütze und begleitete ich die Mädchen in mehreren Treffen dabei, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen, zu ergründen, wie sie diese in die Wirklichkeit umsetzen können und dieses Wissen an andere junge Rom*nja und Sinti*zze weiterzugeben.

Umgesetzt wurden diese Ziele in mehrstufigen Projektveranstaltungen in mehreren Bundesländern. Dabei lernen die Mädchen und jungen Frauen andere Romnja und Sintizze kennen. Sie tauschten sich aus, formulierten eigene Wünsche und lernten ältere Romnja und Sintizze kennen, die bereits gesellschaftspolitisch aktiv sind.

Bei den ersten Kennenlern-Treffen hatten wir als Teamerinnen die Möglichkeit, in geschütztem Raum ein Vertrauensverhältnis zu schaffen. Durch kreative Methoden wurden die Mädchen und jungen Frauen ermuntert, positive Visionen zu entwickeln, wie sie ihr Selbstbewusstsein stärken wollen. Auf Grundlage dieser Visionen erstellten wir ein Konzept für ein bundesweites Empowermentwochenende. Die Projektteilnehmerinnen bestimmten dabei, welche inhaltlichen Schwerpunkte und methodischen Formate gewählt wurden.

Ein weiteres Ziel von „Opre Romnja!“ war es, den Frauen und Mädchen die Teilnahme an der Multiplikator*innenausbildung von „Dikhen amen!“ näher zu bringen. Durch eine Teilnahme an der der Teamer*innenausbildung konnten die Frauen und Mädchen wichtiges Wissen erhalten, um ihre eigenen Perspektiven nach außen zu tragen und sich für ihre Interessen einzusetzen.

Bericht vom Kennenlern-Treffen in Düsseldorf im März 2018

Am 10. März fand das erste Opre Romnja-Treffen in Düsseldorf statt. Acht junge Rom*nja aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen waren dabei. Es wurde von mir geleitet, dabei wurde ich von der politischen Bildnerin Serce Berna Öznarcicegi unterstützt. Ich hatte die Mädchen das letzte Mal bei der Bundesjugendkonferenz 2017 in Freiburg gesehen, kurz nachdem ich angefangen hatte als pädagogische Leiterin im Projekt „Dikhen amen!” zu arbeiten. Wir waren alle aufgeregt und sehr froh uns wiederzusehen.

Wir sind zusammen in eine Pizzeria in der Düsseldorfer Innenstadt gegangen, wo wir in Ruhe miteinander reden konnten. Nach einer Vorstellungsrunde haben wir uns gegenseitig erzählt wie es uns gerade geht und was in unserem Leben passiert. Wir haben einander sehr aufmerksam zugehört und Fragen gestellt. So haben wir uns besser kennengelernt und ein größeres Vertrauen zueinander gewonnen.

Anschließend habe ich den Mädchen das Projekt „Opre Romnja!“ vorgestellt. Was das Ziel des Projektes ist, wie wir auf die Idee gekommen sind und wann und wo die Treffen stattfinden werden. Sie haben sich sehr darüber gefreut, dass wir ihnen den Raum schaffen, sich öfter wiederzusehen, auszutauschen und zusammenzuarbeiten.

Am Ende des Treffens haben wir die Wünsche der Mädchen gesammelt. Sie haben erzählt, was sie beim nächsten Treffen gerne machen möchten und welche Workshop-Themen sie interessieren.

Für uns alle war diese Zeit miteinander sehr schön und emotional. Anschließend sind wir noch spazieren gegangen. Die Mädchen haben mir die Innenstadt gezeigt, wir haben Musik gehört und getanzt. Für uns alle war es ein wunderschönes Wochenende.

Bericht vom Kennenlern-Treffen in Frankfurt am Main im April 2018

Am 14. April fuhr ich nach Frankfurt, um mich mit einigen Jugendlichen aus der Stadt zu treffen und ihre Freundinnen und Kolleginnen kennenzulernen. Unterstützt wurde ich dabei von Pasara Caldaras. Ich hatte Pasara Caldaras schon bei der Bundesjugendkonferenz im September 2017 kennengelernt. Sie arbeitet beim Förderverein Roma e.V. als Sozialarbeiterin und hat viele Kontakte zu Romnja in Frankfurt. Also habe ich sie gebeten ihre Freundinnen und Kolleginnen einzuladen, so dass ich ihnen das Projekt „Opre Romnja!“ vorstellen kann. Drei ihrer Kolleginnen und drei weitere Frauen haben sich an diesem Wochenende mit uns getroffen.

Gemeinsam haben wir den Verein RAHMA e.V. besucht. RAHMA ist ein muslimisches Zentrum für Mädchen, Frauen und Familie. Wir haben uns über die Ziele und die Arbeit von „Opre Romnja!“, Amaro Drom e.V. und RAHMA ausgetauscht und überlegt, ob und wie wir kooperieren könnten. Im Projekt „Dikhen amen!“ sind viele muslimische Romnja dabei. Daraus ergeben sich gemeinsame Themen in unseren Vereinen. Im Herbst 2018 beginnt die Teamer*innen-Ausbildung im Projekt „Dikhen amen!“. Eine Kooperationsidee war es, einen der Workshops der Teamer*innen-Ausbildung gemeinsam mit Teamer*innen von RAHMA zu leiten. Mit der RAHMA-Mitarbeiterin, die uns den Verein vorgestellt hat, bleibe ich weiterhin in Kontakt.

Nach dem Treffen mit RAHMA ist unsere Gruppe essen gegangen. Dort haben wir uns einander vorgestellt und besser kennengelernt. Die Atmosphäre war gleich sehr vertraut. Alina Preda und Anita Adam arbeiten als pädagogische Hilfskraft in einer Schule. Ich habe ihnen erzählt, worum es bei „Opre Romnja!“ und „Dikhen amen!“ geht. Ich habe ihnen außerdem die Teamer*innen-Ausbildung und die Bundesjugendkonferenz 2018 vorgestellt.

Weil zwei Teilnehmende selbst Kinder haben, hatten sie großes Interesse an der Bundesjugendkonferenz, welche im September vom Projekt „Dikhen amen!“ in Berlin durchgeführt wird. Zudem kennen sie viele Jugendliche Rom*nja durch ihre Arbeit an der Schule. Sie waren sofort begeistert dabei, zu überlegen welche der Jugendlichen zur Bundesjugendkonferenz fahren könnten. Alina möchte zudem an der Teamer*innen-Ausbildung teilnehmen und sie beschloss zum großen Opre Romnja-Treffen im Juli in Berlin zu kommen.

Es war eine sehr schöne Erfahrung, junge, erwachsene Romnja kennenzulernen und ihren Lebensweg nachzuvollziehen. Sie haben gute Erfahrungen gemacht und sich durch schlechte Erfahrungen gekämpft, um heute ein besseres Leben zu haben. Ihre Stärke ist eine Inspiration für mich und für die Mädchen bei „Opre Romnja!“

Bericht vom Treffen im Juli in Berlin

Im Juli habe ich mit einigen Mädchen und jungen Frauen aus Berlin getroffen. Als Vertreterinnen unterschiedlicher Generationen von Romnja und Sintizze in Deutschland hatten wir viel Stoff zum Reden. Wir tauschten uns darüber aus, was uns bewegt, welche Ziele wir teilen und wo sich unsere Lebenswege unterscheiden. Auch dieses Treffen war sehr empowernd und bereichernd für die Teilnehmerinnen.

Bericht vom bundesweiten Opre Romnja-Treffen im Juli in Berlin

Vom 20. bis 22. Juli kamen 20 Mädchen und junge Frauen aus 5 Bundesländern in Berlin zusammen. Von Freitag bis Sonntag übernachteten wir in der Alten Feuerwache, lernten einander noch besser kennen und hatten neben dem Programm auch Zeit für jede Menge Spaß.

Am Samstag führte die ungarische Künstlerin, kreative Mentorin und Fotografin Erika Lakatos einen Workshop mit den Teilnehmerinnen durch. Schwerpunkt war dabei die künstlerische Auseinandersetzung mit den Themen Identität und Empowerment. Der Titel des Workshops „Dream big! Love yourselves!“ forderte die Teilnehmerinnen auf über ihre Wünsche und Ziele nachzudenken und den Vorstellungsrahmen für die eigenen Möglichkeiten zu erweitern.

Unter Anleitung der professionellen Fotografin fotografierten sich die Mädchen und jungen Frauen gegenseitig. Sie benutzten dafür unterschiedliche Accessoires und bearbeiteten die entstandenen Porträts anschließend mit verschiedenen Techniken. Ebenfalls Teil des Workshops und des kreativen Prozesses war eine Diskussion entlang von Fragen über Identität, Schönheitskonzepte und Geschlechterrollen.

Die entstandenen Bilder und Collagen zeigen die Individualität der Teilnehmerinnen, ihre unterschiedlichen Herangehensweisen und ihre Potenziale. Erika Lakatos fasste am Ende des Wochenendes ihre Eindrücke so zusammen: „Ich habe eure innere und äußere Schönheit kennengelernt und euch tief in mein Herz geschlossen. Folgt euren Träumen, vertraut auf eure Stärke und geht euren ganz eigenen Weg!“

Den Abschluss des Workshop-Programms bildete ein Workshop mit dem Schwerpunktthema Antiziganismus und Feminismus, der von der IniRromnja-Aktivstin und freien Empowerment-Trainerin Hajdi Barz durchgeführt wurde. Die jungen Romnja und Sintizze teilten ihre Erfahrungen mit spezifischen mehrdimensionalen Diskriminierungen, die sie immer wieder erfahren. In diesem geschützten Rahmen eröffnete sich der Raum zur Reflexion und zur Verarbeitung des Erlebten. Es entstand eine intensive Diskussion der Verschränkung von Antiziganismus und Feminismus und den persönlichen Erfahrungen und Umgangsweisen mit Sexismus.

Am Abend spielte Erika Lakatos ein A Capella-Konzert für die Teilnehmerinnen. Dazu hatten wir weitere Romnja aus Berlin eingeladen. Danach ging es mit einer Open Stage weiter, auf der die Mädchen und jungen Frauen ihre Talente präsentieren und ihre Geschichten teilen konnten. Anschließend feierten wir eine Party nach dem Motto „We are the DJ“.

Am Sonntag besprachen wir organisatorische Details zur Bundesjugendkonferenz und dem Opre Romnja-Workshop, der dort stattfinden sollte. Wir diskutierten darüber was Feminismus für uns bedeutet und welche Rolle er bei „Opre Romnja!“ spielt. Zum Abschluss des Programms las die Teilnehmerin Gabi Zekić eines ihrer Gedichte vor.

Nach dem Mittagessen und einer Feedbackrunde verabschiedeten wir uns voneinander, mit der großen Vorfreude auf das Wiedersehen bei der Bundesjugendkonferenz.

„Opre Romnja!“ auf der Bundesjugendkonferenz

Im Oktober gestalteten die Projektteilnehmenden dann ihren ganz eigenen Workshop auf der Bundesjugendkonferenz des Projektes „Dikhen amen!“. Auch der Workshop war ein geschützter Raum für Romnja und Sintizze. Die Bundesjugendkonferenz fand dieses Jahr vom 28. September bis 1. Oktober in der Jugendherberge in Berlin-Wannsee statt.

Außerdem zeigte die Musikerin und Aktivistin Tayo Onutor ihre Dokumentation „Phral mende – Wir über uns“ auf der Bundesjugendkonferenz. In dieser Doku kommen fast ausschließlich Romnja und Sintizze zu Wort und teilen ihre Sicht auf Antiziganismus und wichtige Kämpfe dagegen.

Ein ausführlicher Bericht von der gesamten Bundesjugendkonferenz findet sich HIER

Workshop „Romnja und Sintizze während des Porajmos“ auf der Bundesjugendkonferenz 2018

Der Workshop Romnja und Sintizze während des Porajmos wurde von Éva Ádám, der pädagogischen Leiterin von „Dikhen amen! Seht uns!“ und der Überlebenden und Aktivistin Rita Prigmore geleitet. Für den Workshop wünschten sich die Teilnehmerinnen des Projekts „Opre Romnja!“ der Frage nachzugehen, wie es zum Porajmos/ Samudaripen (Genozid an den Rom*nja und Sinti*zze) kam und wie Antiziganismus entstanden ist. Sie wünschten sich außerdem, eine Überlebende kennenzulernen, weswegen Rita Prigmore als Leiterin für den Workshop angefragt wurde.

Zu Beginn des Workshops erhielten die Teilnehmerinnen die Aufgabe eine historische Zeitleiste zu erarbeiten. Diese umfasste den Zeitraum von der (ersten urkundlich belegten) Ankunft von Rom*nja und Sinti*zze in Deutschland um 1300 bis zur Anerkennung des Völkermords an den europäischen Rom*nja und Sinti*zze durch das Europäische Parlament im Jahr 2015. In der Zeitleiste ebenfalls enthalten waren wichtige Daten und Ereignisse zur Entstehung des Atiziganismus und zur nationalsozialistischen Verfolgung und des Völkermords. Davon ausgehend beschäftigten sich die Teilnehmerinnen mit den Biografien von Romnja und Sintizze, die Zwangsarbeit und nationalsozialistische Verfolgung überlebt haben. Gemeinsam schauten sie Videos über die Geschichten von Ceija Stojka, Anna Mettbach, Philomena Franz, Maria Stancu Castea und Amelie Schaich Reinhardt. Sie lasen außerdem in den Büchern der Bürgerrechtsaktivistin Ilona Lagrene.

Jede Teilnehmerin wählte eine Person aus und recherchierte selbstständig ihre Lebensgeschichte. Für die Abschlusspräsentation in Form einer Ausstellung bereiteten die Teilnehmerinnen je ein Plakat mit den Lebensdaten, Bildern und Zitaten der Romnja und Sintizze vor. Die Ausstellung wurde den anderen Teilnehmer*innen am Montagvormittag präsentiert. Die Überlebende und Aktivistin Rita Prigmore erzählte im Rahmen der Abschlusspräsentation aus ihrem Leben. Alle Anwesenden waren tief bewegt und bedankten sich von Herzen. Rita Prigmore beendete ihre Geschichte mit den Worten: „Schaut euch die Menschen an, ohne Vorurteile! Seht ihnen in die Augen und erkennt in jedem einzelnen, dass er ein Mensch ist. Nur das Herz zählt, nur das Herz eines Menschen ist wichtig.“

Das Ziel des Workshops war es Romnja und Sintizza zusammenzubringen, um sie zu empowern und ihren Zusammenhalt zu stärken- indem sie voneinander lernen und einander sensibilisieren. Wie die Abschlusspräsentation zeigte und die folgenden Zitate der Teilnehmer*innen des Workshops verdeutlichen, wurde dieses Ziel erreicht:

„Wir hatten viel Spaß, insbesondere mit Rita Prigmore. Es war nicht langweilig wie bei anderen Seminaren. Nächstes Jahr komme ich wieder.“

„Es war schön, dass wir im Team gearbeitet haben und auch selbstständig. Danke Évi, dass du Rita eingeladen hast. Bitte bereitet jeden Monat eine Bundesjugendkonferenz vor! Vielen vielen Dank für alles!“

„Mein Highlight war, dass ich die Chance hatte Rita Prigmore kennenzulernen.“