Das emanzipatorische EU-Kultur-Projekt “ROMANISTAN. Crossing Spaces in Europe” entstand auf Initiative des Roma Kulturzentrums in Wien. Aufgrund fehlender Voraussetzungen wie Bankgarantien, einer bestimmten Vereinsgröße, etc. übernahm die IG Kultur Österreich in Wien 2010 die Koordination des Projekts, welches als Kooperationsmaßnahme des EU-Programms Kultur bis einschließlich 2013 mit drei Rom*nja-Selbstorganisationen aus zwei weiteren Partnerländern, eben dem Roma Kulturzentrum in Wien, der FAGIC in Barcelona und mit Amaro Drom in Berlin realisiert wurde. Ziel dieser Kulturinitiative war die Rückgewinnung der Roma-Kulturprotagonismen und die Schaffung von differenzierenden Sichtweisen auf sogenannte Roma-Kulturproduktionen, die ausschließlich als Folklore wahrgenommen wurden.
Die künstlerischen Konzeptionen bezogen die kulturelle Arbeit der Rom*nja in den Communities ein, um sie mittels Partizipation langfristig in eine emanzipatorische Form zu überführen. Anhand von zwei Konferenzen, einer Theaterproduktion, einem großangelegten Musikprojekt, welches u.a. das “Festival der Musik der Unterdrückten” umfasste, und einer Ausstellung zur Problematik der visuellen Repräsentation der Roma, ging ROMANISTAN in Berlin schwerpunktmäßig der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Identität und Produktion in der Kultur nach. Dabei sahen wir Roma-Künstler*innen und Kulturproduzent*innen nicht als isolierte Avantgarde einer ethnozentrischen Roma-Bewegung, sondern als Protagonist*innen einer zeitgenössischen gesellschaftspolitischen und kulturellen Debatte. Auf der Grundlage einer Auseinandersetzung mit den Konzepten, Ansätzen und Produktionsbedingungen der am Projekt beteiligten Künstler*innen sollten Phänomene wie Ethnisierung, Exotisierung, Folklorismus oder kulturelle Homogenisierung hinterfragt wurden. Angesichts der Erfahrungen mit Diskriminierung und Stigmatisierung der Rom*nja und ihrer Künstler*innen in allen europäischen Ländern waren dies drängende Fragen, die nicht nur innerhalb der Communities selber sondern breit diskutiert werden sollten. So gelang es mit ROMANISTAN einen offenen Diskurs über die Mechanismen der Stigmatisierung und Diskriminierung, über Identität, über kulturelle Selbstbestimmung, über die Chancen kultureller und politischer Bildung, über die Bedeutung einer eigenen Sprache, der Partizipation und des Empowerment und über die Bewahrung von kultureller Vielfalt und eine etwaige Repolitisierung der Roma-Kultur zu befördern. Gemeinsam mit den teilnehmenden Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Aktivist*innen und Expert*innen konnten wir somit eine Grundlage für eine Kulturproduktion schaffen, die neue Denkweisen in der Arbeit gegen Stigmatisierung und Antiziganismus hervorbrachten und sichtbar machten. Die dabei entstandenen künstlerischen Produktionen und Positionen sollten darüber hinaus zukünftig besser in der internationalen Kulturlandschaft verankert und wahrgenommen werden.