Offener Brief von Gjulner Sejdi an die Sächsische Zeitung und die Organisatoren der Jazztage zum Interview in der SäZ am 23.06.2021
Sehr geehrte Redaktion der Sächsischen Zeitung,
sehr geehrte Organisatoren des Jazzfestivals Dresden,
sehr geehrte Interessierte und Unterstützer,
sehr geehrter Herr Dallmann,
sehr geehrter Herr Forster,
mit Entsetzen haben wir ihr Interview in der sächsische Zeitung gelesen. Sie verwenden das Z-Wort frei und unkritisch, stellen es dar, als sei es geschützt von der Freiheit der Kunst und von dem Wunsch von Einzelpersonen, Sie lassen es so aussehen, als ginge es hierbei nur um ein Wort und dessen Zusammenhang, in dem es verwendet wird.
Dem ist nicht so, denn mit der Verwendung des Z-Wortes werden unsere Rechte missachtet, werden wir diskriminiert!
Das Z-Wort steht in Verbindung mit dem Völkermord den Deutschland an uns verübt hat, mit den Menschenversuchen, die uns angetan wurden und mit der jahrhundertelangen Diskriminierung, die uns bis heute angetan wird! Das Z-Wort kommt nicht von uns, es wurde uns aufgezwungen, es wurde unseren Menschen in Auschwitz eintätowiert, sie wurden darunter registriert, es war war das Signal zur Vernichtung, die Einleitung zum Völkermord.
Die Menschen sind tot, ihre Namen sind tot, aber das Z-Wort wird immer noch von Menschen wie Ihnen am Leben erhalten. Sie nutzen in blutiges Wort für Kunst und Musik, sie feiern und erfreuen sich dadurch auf dem Leid der Toten, das ist unredlich und schäbig und hat nichts mit Kunst und Freiheit zur tun.
Wir – die Roma und Sinti Sachsen – distanzieren uns mit aller Stärke von diesem Begriff und von Menschen und Medien, die diesen verwenden.
Als Minderheit in Deutschland und in ganz Europa werden wir seit Jahrhunderten diskriminiert. Es gipfelte in dem Völkermord, den die Nationalsozialisten an unseren Vorfahren begangen haben. Unsere Angehörigen wurden nicht nur ermordet sondern auch für grausame Versuche missbraucht. Auch nach der Nazi-Zeit gab es keine Wiedergutmachung. Diskriminierung und Ausgrenzung, Verfolgung und Verhaftung fanden weiterhin statt, alte Täter saßen in neuen Ämtern und zerstörten weiterhin das Leben unserer Familien in Deutschland. Das Z-Wort war bei all diesen Untaten allgegenwärtig und wurde benutzt. Wir wurden als Z ermordet, missbraucht, ausgegrenzt, vernichtet. Die Bundesrepublik Deutschland hat dies lange Jahre tabuisiert, nicht zugegeben und erst Anfang der 80er Jahre den Völkermord an uns anerkannt.
Wir haben eine Eigenbezeichnung, wir nennen uns Romni und Rom, Sintezza und Sinto. Die Gruppe der Roma besteht aus vielen unterschiedlichen Gruppen, die alle eine eigene Bezeichnung haben aber niemand von uns nennt sich in unserer Sprache – dem Romanes – jemals Z. Das Z.- Wort ist eine Fremdbezeichnung. Diese Fremdbezeichnung diskriminiert uns und ist stark verbunden mit dem Leid, welches uns im Nationalsozialismus zugefügt wurde und welches uns auch heute noch in vielen Ländern zugefügt wird. Erst letzten Samstag am 19.06.2021 wurde unweit von Dresden ein junger Rom in Teplice von der Tschechischen Polzeit ermordet – weil man als Z. in Tschechien diskriminiert wird.
Selbst wenn es Menschen gibt, die sich als Z. bezeichnen möchten, gibt das Außenstehenden – Gadje oder Hale (Bezeichnung in Romanes für Nicht-Roma oder Nicht-Sinti) nicht das Recht, diese Bezeichnung zu verwenden und 12 Millionen Roma und Sinti in Europa zu diskriminieren.
Wir fordern die SäZ auf, sich deutlich von der Verwendung dieses rassistischen Begriffs zu distanzieren und deutlich zu machen, dass es in der Sächsischen Medienlandschaft keinen Platz für Rassismus und rassistische Bezeichnungen gibt! Und wir fordern Sie Herr Forster auf, sich mit unserer Geschichte und dem Völkermord auseinander zu setzen und Diskriminierungen zu vermeiden und nicht mehr mit „Freiheit der Kunst“ gleich zu setzen.
Wir fordern die SäZ auf, statt dessen darüber zu berichten, wer wir Roma und Sinti sind, und warum die heutige Gesellschaft sich deutlich von Rassismus gegen Sinti und Roma distanzieren muss.
Es geht nicht um Perspektiven oder um Freiheit der Kunst. Es geht um Respekt, Respekt vor uns der größten Minderheit Europas und der Menschengruppe, die zu den Opfern des Nationalsozialismus gehört und die noch heute stark von Rassismus betroffen ist. Es geht um Haltung, Haltung für Menschlichkeit und Gerechtigkeit! Es geht darum, ob man sich auf die Seite von Rassisten stellen will oder dagegen!
Gjulner Sejdi
Verband der Roma und Sinti in Sachsen
Romano Sumnal –
Verband der Roma und Sinti in Sachsen